Wenn einer weiß, was es heißt, Humor als Waffe zu verwenden, dann ist das Abbas Khider. Der 1973 im Irak geborene Schriftsteller hat schon zahlreiche autobiografisch inspirierte Bücher über seine Inhaftierung unter Saddam Hussein, seine Flucht aus dem Irak und sein Ankommen als Asylbewerber in Deutschland geschrieben – und jedes Mal gelingt es ihm, Furchtbares erzählbar zu machen und sich mit Humor entgegenzustellen. In seinem neuen Roman „Der Erinnerungsfälscher“ geht es um den Deutsch-Iraker Said Al-Wahid, der nach vielen Jahren in Deutschland das erste Mal seit langem wieder in seine Heimatstadt Bagdad fährt, denn die Mutter ist krank und liegt im Sterben. Auf der Reise kommen ihm viele Bilder und Erinnerungen. Von seiner Kindheit im Irak, der langen Flucht, die in Deutschland endete, dem schwierigen Ankommen in einem fremden Land, dem Alltag mit einer deutschen Frau und einem gemeinsamen Kind.
Aber was ist wahr und was erfunden? Wie lange hallen Krieg und Folter nach, wie viel Erinnerung ist gut und wie tröstlich kann Vergessen und Erfinden sein? Abbas Khider schreitet die Grenzen von Fakt und Fiktion ab und macht der Literatur eine große Liebeserklärung: Sie kann Leerstellen füllen, Unerklärliches greifbar und sogar Schmerzhaftes erträglich machen. Khiders Roman ist erneut ein kluges Zeugnis davon, was es heißt, als Geflüchteter in Deutschland zu leben: Denn selbst mit einem deutschen Pass hat Said häufig mit Rassismus und Ausgrenzung zu kämpfen. Wie in seinen anderen Büchern löst Khider auch in „Der Erinnerungsfälscher“ bei seinen Leser:innen eine produktive Mischung aus: Verstörung, Bestürzung – und trotz allem immer wieder Heiterkeit. (A.-D. K.)
Auszeichnungen u. a.: Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis (2010), Stipendium Villa Aurora, Los Angeles (2011), Hilde-Domin-Preis für Literatur im Exil, Grenzgänger-Stipendium der Robert-Bosch-Stiftung, Nelly-Sachs-Preis (2013), Spycher: Literaturpreis Leuk (2016), Mainzer Stadtschreiber, Adelbert-von-Chamisso-Preis (2017), Arbeitsstipendium des deutschen Literaturfonds (2019).
Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Der falsche Inder“, Roman, Ed. Nautilus, Hamburg 2008
– „Die Orangen des Präsidenten“, Roman, Ed. Nautilus, Hamburg 2011
– „Brief in die Auberginenrepublik“, Roman, Ed. Nautilus, Hamburg 2013
– „Ohrfeige“, Roman, Hanser, München 2016
– „Deutsch für alle. Das endgültige Lehrbuch“, Hanser, München 2019
– „Palast der Miserablen“, Roman, Hanser, München 2020
– „Der Erinnerungsfälscher“, Roman, Hanser, München 2022