Wer dick ist, entzieht sich dem gängigen Ideal, protestiert gegen Schönheitsideale und Fitnesswahn und schlägt alle Empfehlungen der Medizin in den Wind. Vielleicht ist der Körper einer Frau die letzte Bastion der Selbstbestimmung. In ihrem neuen, autobiografisch grundierten Roman „Lügen über meine Mutter“ geht die Schriftstellerin Daniela Dröscher, 1977 in Rheinland-Pfalz geboren und dort aufgewachsen, dem Schicksal ihrer übergewichtigen Mutter in den 1980er Jahren nach. Dass die Mutter dringend eine Diät brauche und in Kur müsse, findet vor allem ihr Ehemann, der Vater der Ich-Erzählerin: Alles, was ihm misslingt, schiebt er auf das exorbitante Körpergewicht seiner Frau. Sie unterwirft sich seiner Wahrnehmung, um sie dann zu unterlaufen. Mit großer Sensibilität leuchtet Daniela Dröscher den Kampf einer Frau um Selbstbestimmung aus, der sich auf direkte Art ausdrückt: über den Körper. Mehrfach hat Daniela Dröscher bereits mit der Schnittstelle von Autobiografie und Fiktion experimentiert. In ihrem dritten Roman gelingt Dröscher ein weibliches Psychogramm von enormer Schärfe. Deutschland in den 1980er Jahren war mitnichten ein Ort der freien Entfaltung – vor allem für Frauen nicht. (M. A.)
Auszeichnungen u. a.: Anna-Seghers-Preis (2009), Grenzgänger-Stipendium der Robert-Bosch-Stiftung (2010), Bayern 2-Wortspiele-Preis (2012), Robert-Gernhardt-Preis (2017), Werkstipendium des Deutschen Literaturfonds (2018), Arbeitsstipendium des Berliner Senats (2020), Aufenthaltsstipendium in der Villa Kamogawa, Kyoto (2022).
Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Die Lichter des George Psalmanazar“, Roman, Berlin Verlag, 2009
– „Gloria“, Erzählungen, Berlin Verlag, 2010
– „Pola“, Roman, Berlin Verlag, 2012
– „Zeige deine Klasse. Die Geschichte meiner sozialen Herkunft“, Hoffmann und Campe, Hamburg 2018
– „Lügen über meine Mutter“, Roman, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2022