Von Heinrich Heine wissen wir: „Es ist eine alte Geschichte, /Doch bleibt sie immer neu,/ Und wem sie just passieret,/ dem bricht das Herz entzwei.“ Doch bei Judith Zander, der erfolgreichen Romanautorin und Dichterin, ist es nicht die alte Geschichte. Sie demonstriert poetische Tonverwandtschaften zu den selbstbestimmten Dichterinnen der Literaturgeschichte: etwa zu der frühvollendeten Barockpoetin Sibylla Schwarz, die man einst die „pommersche Sappho“ genannt hat. Und tatsächlich finden sich einige Parallelen zwischen Zanders „kratzigen Romanzen“ und der Liebesverzweiflung der jungen Barockpoetin. Gegen die alte Geschichte des Liebes-Pathos setzt Zander aber ihre poetische Gegenkraft der Aufrauung, der ironischen Brechung und der frivolen Komik.
Auch in ihrem neuen Gedichtbuch „im ländchen sommer im winter zur see“ hat Judith Zander eine Konstellation entworfen, in der sich ein Liebespaar fluider Identität durch Sehnsuchtslandschaften an der Ostseeküste bewegt und dort von einem unreglementierten Leben träumt. Es sind die Sehnsuchtslinien, die „desire lines“ zweier Liebender. Und sie werden von der Autorin eingebunden in ein anmutiges Vexierspiel mit Motiven der Liebeslyrik, des Minnesangs und der barocken Vergänglichkeits-Metaphorik.
Judith Zander, 1980 in Anklam in Vorpommern geboren, zog es nach einem Studium der Germanistik, Anglistik und Geschichte in Greifswald sowie einem Studium am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig 2009 nach Berlin, mittlerweile lebt sie in Greifswald. (M. B.)
Auszeichnungen u. a.: Lyrikpreis beim 15. Open Mike (2007), 3sat-Preis des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs (2010), Uwe-Johnson-Förderpreis der Mecklenburgischen Literaturgesellschaft (2011), Poesiepreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft (2015), Fontane-Literaturpreis (2021).
Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Dinge, die wir heute sagten“, Roman, dtv, München 2010
– „oder tau“, Gedichte, dtv, München 2011
– „manual numerale“, Gedichte, dtv, München 2014
– „Cactacae“, Reihe „Naturkunden“, Matthes & Seitz, Berlin 2014
– „Johnny Ohneland“, Roman, dtv, München 2020
– „im ländchen sommer im winter zur see“, Gedichte, dtv, München 2022