Wer ist das, dieses fragile Ich, zumal wenn sich die Tatsache, dass es nur für sich selbst spricht, auf einmal als falsch erweist? Wir landen in den Reflexionsschleifen einer jungen Frau, die ihren schwankenden inneren Zustand auslotet. 1980 in Slowenien geboren, in Ljubljana aufgewachsen und seit 2005 in Österreich zu Hause, schreibt Ana Marwan auf Deutsch und Slowenisch, machte bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur mit ihrer Lesung Furore und gewann den renommierten Ingeborg-Bachmann-Preis 2022. Das changierende Temperament ihrer Ich-Erzählerin drückte sich schon im Titel aus: „Wechselkröte“ lautet die Überschrift des Textes. Die junge Frau ist schwanger – aber was würde es heißen, ein Kind inmitten ihrer privaten Krise zu bekommen und großzuziehen, während ringsum die Klimakatastrophe an Fahrt aufnimmt? In dem preisgekrönten Text halten sich tiefe Melancholie und abgründiger Witz die Waage. Ana Marwan, die auch mit Fotografie experimentiert, hatte ihr Debüt „Der Kreis des Weberknechts“ (2019) einem Zwangscharakter mit philosophischen Neigungen namens Karl Lipitsch gewidmet, dessen Leben durch die Begegnung mit Mathilde auf den Kopf gestellt wird. Marwans zweiter Roman „Zabuljena“ (2021) erschien auf Slowenisch und handelte von einer Frau mit unklarer Position in einer sogenannten Anstalt, die sich mit Haut und Haaren der Beobachtung eines fremden Herrn verschreibt, wobei Fantasien die Oberhand gewinnen. Immer wieder scheinen es extreme Situationen zu sein, aus denen Ana Marwan Inspiration zieht. (M. A.)
Auszeichnungen u. a.: Exil-Literaturpreis „Schreiben zwischen den Kulturen“ (2008), Ingeborg-Bachmann-Preis (2022).
Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Der Kreis des Weberknechts“, Roman, Otto Müller Verlag, Salzburg 2019
– „Verpuppt“, Roman, Otto Müller Verlag, Salzburg, Februar 2023