Schon in seinem Debüt „Wie ich mir das Glück vorstelle“ hat Martin Kordić, der seit vielen Jahren als Lektor bei großen Verlagen arbeitet, einen literarisch sehr eigensinnigen und mitreißenden Ton angeschlagen. Während es darin um den Kinderblick eines Jungen auf den Bosnienkrieg geht, handelt „Jahre mit Martha“ von einer ungewöhnlichen Beziehung, die die Grenzen von Hierarchien und Begehren auslotet.
Da ist Željko Kovačević, der mit seinen Eltern und Geschwistern in einer kleinen Wohnung in Ludwigshafen lebt. Er ist in Deutschland aufgewachsen, doch das Leben der Familie ist von den Folgen der Einwanderung der Eltern geprägt. Die Mutter geht putzen, der Vater schuftet beim Bau. Željko ist 15, als er einen Ferienjob bei Martha annimmt. Für die Professorin übernimmt er Arbeiten im Garten, doch sie öffnet nicht nur ihren Garten für ihn, sondern auch den Weg in eine andere Welt. Željko darf sich Bücher aus ihrer Bibliothek leihen, sie nimmt ihn sogar mit ins Theater, und sie spricht mit ihm, wie noch nie jemand mit ihm gesprochen hat. Auch später, als er schon längst in München lebt und Literatur studiert, spielt Martha noch eine Rolle in seinem Leben und begleitet ihn in wichtigen und entscheidenden Lebensphasen – trotz ihrer großen Differenz des Alters, der Herkunft und ihres Standes verbindet sie eine tiefe Verbundenheit. Eine ungewöhnliche Geschichte, die von einer poetischen Liebe erzählt, für die es keine Vorbilder gibt – und darüber hinaus von einer tiefen Liebe zum Wissen und zur Literatur. (A.-D. K.)
Auszeichnungen u. a.: Adalbert-von-Chamisso-Förderpreis, Alfred Döblin-Medaille (2015).
Veröffentlichungen (Auswahl):
– „Wie ich mir das Glück vorstelle“, Roman, Hanser, München 2014
– „Jahre mit Martha“, Roman, S. Fischer, Frankfurt a. M. 2022